Methoden oder Persönlichkeit – was garantiert den Erfolg in komplexen Projekten?
Was ist wichtiger für den Projekterfolg – ein Koffer gefüllt mit Methoden, oder die Persönlichkeit des Projektleiters? Drehen wir die Frage um. Projektleiter sind Dienstleister an einer Organisation, genau wie Chirurgen am Patienten. Was würden wir als Organisation von unserem Dienstleister erwarten? Anhand von vier Fragen arbeiten wir uns voran.
Zu Beginn stellen Sie sich bitte vor, Sie hätten einen Herzinfarkt.
Brauchen Projektleiter für komplexe Projekte vor allem einen Methodenkoffer? Oder ist die Methode egal, wenn er nur eine entsprechend geeignete Persönlichkeit hat – mit natürlicher Autorität und Kommunikationsbegabung? Diese Frage stellt das Projektmagazin in seiner aktuellen Blogparade.
Frage 1: Würden Sie sich einem Chirurgen anvertrauen, der noch nie einen Bypass gelegt hat?
Ein Chirurg, der das schon mehrere tausend Male gemacht hat, gibt uns ein viel besseres Gefühl. Denn wir können von ihm erwarten, dass er die erforderlichen Handgriffe kennt, Risiken einschätzen kann und nicht beim ersten Zwischenfall in Hektik gerät.
Ähnlich ist es mit Projektleitern für komplexe Projekte. Einen gänzlich unerfahrenen würden wir wohl eher meiden.
Frage 2: Beherrscht der Chirurg Ihres Vertrauens nur eine Methode, die aber perfekt?
Hier fällt die Entscheidung nicht ganz so klar aus.
Wenn der Chirurg eine Methode perfekt beherrscht, dann ist seine Erfolgswahrscheinlichkeit recht groß. Natürlich nur, sofern bei uns das gleiche Problem vorliegt wie in den anderen tausend Fällen zuvor. Wenn nicht, dann wäre mir persönlich jemand lieber, der auch mal was Neues ausprobiert. Schließlich geht es ja um das Ziel, ein Leben zu retten, nicht um die Methode.
Projektleiter sollten daher auch auf zeitgemäße Methoden setzen. Experten laufen sonst Gefahr, jedes Problem für einen Nagel zu halten, weil sie als einziges Werkzeug den Hammer kennen. Schließlich ist nicht ein Projekt wie das andere, und die Zeiten ändern sich. Auch die Menschen im Projekt denken um.
Frage 3: Warum will Ihr Chirurg Sie operieren?
Will er unbedingt Ihr Leben retten? Ist er neugierig? Oder ist er einfach nur da, weil er gerade Dienst hat?
Wer absolut auf das Ziel verschrieben ist, der hat die größten Erfolgsaussichten. Das Problem ist nur: wir können seine Gedanken nicht lesen.
Gefährlich wird es für uns dann, wenn der Chirurg oder respektive der Projektleiter kaum Erfahrung aufweist, aus Neugierde ständig etwas Neues ausprobiert, und er nur zufällig gerade Dienst hat. Unsere eigene Problemstellung (der Herzinfarkt respektive das Projekt) wäre dann nur ein zufälliges Opfer der persönlichen Situation, Ziele und Wünsche des Experten.
Hier kommen die Werkzeuge ins Spiel.
Die Organisation um den Chirurgen herum kann nicht sicherstellen, dass der Chirurg Erfahrung hat. Das unterliegt dessen persönlicher Kontrolle. Sie kann seine Lust am Ausprobieren, und vor allem am Lebenretten, genauso wenig beeinflussen. Dafür kann sie allenfalls ein Umfeld bieten.
Trotzdem ist die Organisation dafür verantwortlich, dass bei der Operation bzw. dem Projekt keine unnötigen Fehler passieren. Sie muss zeigen, dass sie alle erforderlichen Voraussetzungen geschaffen hat, und dass der Operateur nach bestem Wissen und Gewissen handelt.
Das wiederum kann sie nach außen hin belegen: durch den Nachweis von Methodenkenntnis. Damit kann auch jemand entscheiden und die Situation beurteilen, der sich mit der Materie nicht auskennt. Er braucht bei Personal- und Dienstleister-Auswahl nur eine Checkliste abzuhaken.
Das Ergebnis: Die Methode wird zum Ersatz für Commitment.
Und das greift viel zu kurz!
Werkzeuge sind immer Mittel zum Zweck. Dadurch, dass Methoden als Ersatz für Commitment herangezogen werden, verschiebt sich dieser Zweck – in die falsche Richtung.
Dem Einen dienen sie dazu, seine Neugierde zu befriedigen und er hat Spaß daran, sie zu erlernen und anzuwenden. Wieder andere erzählen gern von neuen Methoden und erwähnen sie regelmäßig, denn so erhalten sie die Aufmerksamkeit ihrer Organisation als Belohnung.
Am liebsten sind mir die Chirurgen, respektive Projektleiter, die ihre Methoden vornehmlich dazu verwenden, um eine unmittelbare Aufgabenstellung erfolgreich zu bewältigen.
Auf diese Werkzeuge kommt es an:
Die Werkzeuge, auf die es daher ankommt, sind die, die dem Experten dabei helfen, sich selbst, sein Umfeld und die Ziele zu hinterfragen:
- Habe ich das Problem und die Aufgabenstellung richtig verstanden? Wirklich?
- Nutzen wir die Methoden, weil sie glaubhaft hilfreicher sind, oder nur deshalb, weil sie gerade gehyped werden?
- Welche Lösung wäre wirklich die beste? Wer kann sie entwickeln? Wer kann das entscheiden?
- Welche Art Lösung kann ich aufgrund meines Hintergrunds nicht entwickeln?
- Welche Lösungen kann meine Organisation verdauen, welche wird sie ablehnen?
Letzte Frage: Wieviel Zeit haben Sie, um zu entscheiden?
Projektleiter sind Dienstleister an der Organisation, so wie der Chirurg am Patienten. Es geht darum, den besten für uns auszuwählen. Liegt eine kritische Situation vor, dann heißt es schnell zu entscheiden. Wir wollen weder den unerfahrenen Neugierigen, noch den rexflexgetriebenen Erfahrenen, der sich das Problem für sein Werkzeug zurecht biegt.
Doch gerade wenn wir schnell entscheiden müssen, lauert die größte Gefahr an dieser Stelle: einfach den eigenen Reflexen zu folgen und Methodenkenntnis, persönliche Bekanntschaft oder schlicht Verfügbarkeit als Hauptkriterien anzulegen. Vielmehr zählt, dass wir unsere eigenen Kriterien kennen und weiter entwickeln. Dann entscheiden wir besser.
Für den Projektleiter bedeutet das: Wer sich damit auseinandersetzt, was sein Kunde wirklich braucht, der kann nicht aus dem falschen Grund nach immer neuen Werkzeugen suchen.
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Dr. Torsten Herzberg. Unternehmensentwickler, Vorwärtsbringer, Org-Hacker.
Meine Auftraggeber - sie haben ein tolles Team und starke Ideen. Und sie haben größeres vor. Sie entwickeln neue Strategien, treiben Innovationen voran, ihr Unternehmen wächst. Dabei ist es vor allem die eigene Organisation und ihr Zusammenspiel, das ihnen im Wege steht. Gemeinsam überwinden wir diese Grenzen und heben das Team auf ein neues Leistungsniveau. Wir machen Ziele und Ideen umsetzbar, bereiten die Organisation auf Wachstum vor, und entwickeln notwendiges Know-how. Mit welchen Fragen sie noch zu mir kommen, erfahren Sie hier.